Extravaskuläre Injektion von Muskelrelaxantien: Risiken und Behandlung verstehen - NYSORA

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Extravaskuläre Injektion von Muskelrelaxantien: Risiken und Behandlung verstehen

9. Juli 2024

Muskelrelaxantien (NMBDs) werden normalerweise intravenös verabreicht, um die Muskelentspannung bei chirurgischen Eingriffen zu erleichtern. Es kann jedoch zu einer unbeabsichtigten Extravasation (Injektion außerhalb der Vene) kommen, die aufgrund der Bildung eines subkutanen Depots und der anschließenden langsamen systemischen Absorption zu einer unvorhersehbaren und lang anhaltenden Muskelrelaxantienblockade führt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die aktuelle Literatur zur Extravasation von NMBDs und schlägt einen klinischen Behandlungsansatz für diese Komplikation vor.

Was passiert bei einer extravaskulären Injektion? Wenn NMBAs versehentlich in das die Blutgefäße umgebende Gewebe statt direkt in die Blutbahn injiziert werden, können verschiedene unerwünschte Folgen auftreten:

  • Längere Muskellähmung: Das Medikament verbleibt länger im Gewebe und führt zu einer längeren Muskellähmung.
  • Gewebeschaden: Extravaskuläre Injektion kann lokale Gewebenekrose, Entzündungen und Schmerzen verursachen.
  • Verzögerter Wirkungseintritt: Die Wirkung des Arzneimittels setzt verzögert ein und ist unvorhersehbar, was chirurgische Eingriffe erschwert.

Physiologische Auswirkungen
Die Pharmakokinetik von NMBAs wird bei extravaskulärer Injektion verändert. Diese Wirkstoffe sind für einen schnellen Wirkungseintritt und eine kontrollierte Wirkdauer bei intravenöser Verabreichung konzipiert. Bei Injektion in Muskel- oder Unterhautgewebe verlangsamt sich die Absorptionsrate erheblich, was zu unvorhersehbaren und lang anhaltenden Wirkungen führt. Diese Unvorhersehbarkeit kann geplante chirurgische Eingriffe stören und eine längere Beatmungsunterstützung erforderlich machen.

Häufige Symptome
Bei Patienten, die von extravaskulären NMBA-Injektionen betroffen sind, können folgende Symptome auftreten:

  • Länger anhaltende Muskelschwäche: Hierzu gehören allgemeine Muskelermüdung und die Unfähigkeit, Gliedmaßen zu bewegen.
  • Atemstörung: Wenn die Atemmuskulatur betroffen ist, können Patienten Atembeschwerden haben.
  • Lokale Schmerzen und Schwellungen: Injektionsstellen können aufgrund einer Entzündung oder Nekrose schmerzhaft werden und anschwellen.

Risikofaktoren für Paravasation

  • Kleine oder fragile Venen
  • Fortgeschrittenes Alter
  • Fettleibigkeit
  • Mehrere Venenpunktionen
  • Hoher Einspritzdruck
  • Schlechte Kanülenfixierung
  • Disseminierte Hauterkrankungen
  • Patientenbewegung während der Kanülenplatzierung

Diagnoseansatz

Die Diagnose einer extravaskulären NMBA-Injektion erfolgt in erster Linie klinisch und wird durch die Symptome des Patienten und die Vorgeschichte der NMBA-Gabe unterstützt. Zu den wichtigsten Diagnoseschritten gehören:

  1. Patientengeschichte: Überprüfen Sie die Verabreichungstechnik und die Injektionsstelle.
  2. Körperliche Untersuchung: Achten Sie auf örtliche Schwellungen, Druckempfindlichkeit und Muskelschwäche.
  3. Neuromuskuläre Überwachung: Verwenden Sie einen peripheren Nervenstimulator, um die neuromuskuläre Funktion und den Grad der Lähmung zu beurteilen.

Management-Empfehlungen

  1. Verhütung:
    • Stellen Sie die korrekte Kennzeichnung von NMBDs sicher
    • Bewerten Sie die Qualität der intravenösen Leitung vor der Verabreichung
    • Auf Rückfluss oder erhöhten Einspritzdruck prüfen
  2. Sofortige Reaktion bei Paravasation:
    • Sichern Sie umgehend einen neuen Venenkatheter
    • Überwachen Sie die Anzahl/das Verhältnis des Train-of-Four (TOF), um eine neuromuskuläre Blockade zu beurteilen
  3. Überwachung und Rückabwicklung:
    • Verabreichen Sie NMBD-Umkehrmittel (Sugammadex oder Neostigmin), wenn das TOF-Verhältnis eine Verbesserung zeigt
    • Längere Überwachung in der PACU (4-5 Stunden) mit vollständiger ASA-Überwachung
  4. Nachsorge:
    • Erweiterte Beobachtung in der PACU für Patienten mit langwirksamen NMBDs

Zusätzliche Dosen von Gegenmitteln, falls erforderlich, insbesondere Sugammadex bei Aminosteroid-NMBDs

Umkehragenten
Die Verabreichung spezifischer Gegenmittel kann helfen, die Auswirkungen von NMBAs zu mildern. Die Wahl des Mittels hängt vom verwendeten NMBA ab:

  • Neostigmin: Dieser Acetylcholinesterasehemmer wird häufig verwendet, um nicht-depolarisierende NMBAs umzukehren. Er erhöht die Menge an Acetylcholin an der neuromuskulären Verbindung, konkurriert mit dem NMBA und kehrt dessen Wirkungen um.
  • Sugammadex: Diese Cyclodextrinverbindung bindet spezifisch an Rocuronium und Vecuronium und bildet einen Komplex, der über die Nieren ausgeschieden wird. Sugammadex sorgt für eine schnelle und vollständige Aufhebung dieser Wirkstoffe und ist daher besonders nützlich bei der Behandlung extravaskulärer Injektionen von Rocuronium oder Vecuronium.

abwehr

Training und Technik
Um das Risiko einer extravaskulären NMBA-Injektion zu minimieren, ist es wichtig, dass das medizinische Personal über die richtige Ausbildung und Vorgehensweise verfügt:

  • Education: Regelmäßige Schulungen zur korrekten Verabreichung von NMBAs.
  • Simulationsbasiertes Lernen: Verwenden Sie Simulationstechniken, um den Injektionsvorgang zu üben und zu perfektionieren.
  • Ultraschallführung: Verwenden Sie Ultraschall, um die Injektionsstelle zu visualisieren und eine genaue Platzierung im Gefäßsystem sicherzustellen.

Verfahren zur doppelten Kontrolle
Durch die Implementierung eines Protokolls zur doppelten Überprüfung der Injektionsstelle kann das Risiko weiter verringert werden:

Verification: Lassen Sie die Injektionsstelle von einem zweiten Arzt überprüfen, bevor Verwaltung.

  • Standortmarkierung: Markieren Sie die vorgesehene Injektionsstelle deutlich, um Verwechslungen und Fehler zu vermeiden.

Fazit

Die Paravasation von NMBDs kann zu schwerwiegenden Komplikationen führen, darunter verzögerter Beginn und verlängerte neuromuskuläre Blockaden. Dieser Bericht unterstreicht die Wichtigkeit von Wachsamkeit während der NMBD-Verabreichung und bietet einen klinischen Ansatz zur effektiven Behandlung der Paravasation. Weitere Forschung ist erforderlich, um umfassende Richtlinien zu erstellen und die Patientenergebnisse zu optimieren.

Weitere detaillierte Informationen finden Sie in der systematischen Übersicht, die im Europäische Zeitschrift für Anästhesiologie.
Nietvelt F, Van Herreweghe I, Godschalx V, Soetens F. Extravaskuläre Injektion von neuromuskulären Blockern: Eine systematische Überprüfung der aktuellen Erkenntnisse und Behandlung. European Journal of Anaesthesiology | EJA. 2024;41(5)

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