Direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) wie Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban und Dabigatran haben die Antikoagulationstherapie aufgrund ihrer Wirksamkeit, ihres Komforts und ihres Sicherheitsprofils im Vergleich zu Warfarin revolutioniert. Ihre Anwendung stellt jedoch besondere Herausforderungen dar, wenn sich Patienten chirurgischen oder nichtchirurgischen Eingriffen unterziehen. Schätzungsweise 20 % der Patienten, die DOAK einnehmen, sind jährlich mit dieser Situation konfrontiert.
Im Jahr 2024 veröffentlichte JAMA eine maßgebliche Übersichtsarbeit, die standardisierte Strategien für den Umgang mit DOACs im perioperativen Umfeld bietet, um sowohl Blutungen als auch Thromboembolie risiken.
Warum das perioperative DOAC-Management wichtig ist
Bei chirurgischen Eingriffen an Patienten mit Antikoagulationstherapie bestehen zwei wesentliche Risiken:
- Starke Blutung während oder nach dem Eingriff
- Thromboembolie durch vorzeitiges Absetzen der Antikoagulation
DOAKs ermöglichen aufgrund ihres schnellen Wirkungseintritts und -abklingens eine flexible perioperative Planung. Ihre kurze Halbwertszeit (8–14 Stunden) und die vorhersehbare Pharmakokinetik machen eine routinemäßige Überbrückung mit niedermolekularem Heparin (NMH) überflüssig und vereinfachen so die perioperative Versorgung.
Klassifizierung des prozedurbedingten Blutungsrisikos
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Minimales Risiko
Beispiele:
- Zahnreinigung, Einzelzahnentfernung
- Hautbiopsie, kleinere dermatologische Eingriffe
- Kataraktchirurgie
Empfehlung:
- DOAKs können grundsätzlich weiter eingenommen werden
- Morgendosis weglassen (bei BID-Regimen) oder Abenddosis verzögern (bei QD-Regimen)
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Geringes bis mittleres Risiko
Beispiele:
- Koloskopie (ohne große Polypektomie)
- Laparoskopische Cholezystektomie
- Hernien reparieren
Empfehlung:
- Setzen Sie DOAC 1 Tag vor der Operation ab
- Nehmen Sie die Einnahme von DOAC 24 Stunden nach dem Eingriff wieder auf.
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Hohes Risiko
Beispiele:
- Größere orthopädische Operation (Hüft-/Knieersatz)
- Krebsresektion, Herzchirurgie
- Eingriffe am Gehirn oder an der Wirbelsäule
Empfehlung:
- Setzen Sie DOAC 2 Tage vor der Operation ab
- Setzen Sie die DOAC-Behandlung je nach Blutung und Hämostase 48–72 Stunden später fort.
DOAC-Pharmakologie und Anpassungsfaktoren
- Apixaban, Rivaroxaban, Edoxaban: Faktor-Xa-Inhibitoren
- Dabigatran: Direkter Thrombininhibitor (Faktor IIa)
Renale Clearance:
Dabigatran: ~80 %
Edoxaban: ~50 %
Apixaban: ~25 %
Rivaroxaban: ~33 %
Dosierungsanpassungen erforderlich bei:
- CrCl < 50 ml/min
- Alter ≥ 80 Jahre
- Körpergewicht ≤ 60 kg
- Gleichzeitige Gabe von P-gp- oder CYP3A4-Modulatoren
Umkehrmittel:
- Dabigatran: Idarucizumab
- Xa-Inhibitoren: Andexanet alfa, Prothrombinkomplexkonzentrate (PCCs)
Schrittweises perioperatives Management
Präoperative DOAC-Unterbrechung
- Identifizieren Sie DOAC und die Nierenfunktion des Patienten
- Bewerten Sie das Blutungsrisiko während des Eingriffs
- Planunterbrechungsintervall:
- Minimales Risiko: Keine Unterbrechung oder Auslassen einer Dosis
- Geringes bis mittleres Risiko: Halten Sie DOAC 1 Tag vorher
- Hohes Risiko: DOAC 2 Tage vorher absetzen (bei eingeschränkter Nierenfunktion verlängern)
- Vermeiden Sie eine Überbrückung mit Heparin aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos
Postoperative DOAC-Wiederaufnahme
- Schichtannahme chirurgische Blutstillung
- Lebenslauf DOAC:
- 24 Stunden nach einem Eingriff mit geringem/mittlerem Risiko
- 48–72 Std. nach einem risikoreichen Eingriff
- Wenn orale Medikamente nicht wieder eingenommen werden können (z. B. nach einer Darmoperation), verwenden Sie prophylaktische Dosis LMWH bis sicher
Anpassung an die Nierenfunktion: Wann sollten DOACs abgesetzt werden?
Die Nierenfunktion beeinflusst die DOAC-Ausscheidung erheblich, insbesondere bei Dabigatran, das zu etwa 80 % renal eliminiert wird. Verwenden Sie die folgenden Zeitanpassungen basierend auf der Kreatinin-Clearance (CrCl):
Besonderer Hinweis: neuroaxiale Anästhesie und DOACs
Patienten, die sich unterziehen Spinal- oder Epiduralanästhesie (neuraxiale Verfahren) erfordern eine längere DOAC-Unterbrechung, um das seltene, aber ernste Risiko eines spinalen Hämatoms und einer Lähmung zu verringern.
Fazit
Mit einer angemessenen Risikostratifizierung und standardisierten Protokollen kann das perioperative Management von DOAKs sicher, effizient und ohne unnötige Tests oder Überbrückungen erfolgen. Der Schlüssel liegt in einer individuellen Behandlung, die auf Blutungsrisiko, Nierenfunktion und zeitlichem Ablauf des Eingriffs basiert. Die Umsetzung evidenzbasierter Strategien minimiert das Patientenrisiko und verbessert die Operationsergebnisse.
Referenz: Douketis JD, et al. Perioperative Behandlung von Patienten, die direkte orale Antikoagulanzien einnehmen: Eine Übersicht. JAMA. 2024; 332: 825-834.
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