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Perioperatives Management von Patientinnen mit Präeklampsie

25. März 2025

Präeklampsie ist eine fortschreitende hypertensive Schwangerschaftserkrankung, die lebensbedrohliche Komplikationen für Mutter und Neugeborenes nach sich ziehen kann. Sie ist gekennzeichnet durch neu auftretenden Bluthochdruck nach der 20. Schwangerschaftswoche, verbunden mit Anzeichen von Organfunktionsstörungen. Präeklampsie betrifft weltweit etwa 5 % aller Schwangerschaften und ist in den USA für fast 4.9 % der Müttersterbefälle verantwortlich. Zu den mütterlichen Komplikationen zählen Schlaganfall und Herzinsuffizienz, Leberruptur und Nierenfunktionsstörungen. Neugeborene können Wachstumsstörungen, Frühgeburten und lebenslange Stoffwechselrisiken erleiden. Angesichts der erheblichen Auswirkungen auf die mütterliche und fetale Entwicklung ist die perioperative Behandlung von Patientinnen mit Präeklampsie, insbesondere bei Kaiserschnitten, von entscheidender Bedeutung. Die Überprüfung von Dennis et al. 2024 in Anästhesiologie konzentriert sich auf die Rolle der Anästhesisten bei der Optimierung der Versorgung, der Risikominderung und der Verbesserung der perioperativen Ergebnisse für diese Hochrisikogruppe.

Perioperative Überlegungen zur Präeklampsie

Anästhesisten sind ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung von Präeklampsie bei Kaiserschnitten, dem weltweit häufigsten großen chirurgischen Eingriff. Ihre Rolle geht über die intraoperative Versorgung hinaus und umfasst:

  • Präoperative Risikobewertung und -optimierung
  • Intraoperatives Management von Hypertonie und Hämodynamik
  • Postoperative Erholung, Rehabilitation und langfristige Nachsorge
  • Gemeinsame Entscheidungsfindung in einem multidisziplinären Behandlungsteam

Präoperative Beurteilung und Behandlung

Eine gründliche präoperative Untersuchung ist unerlässlich, um den Schweregrad der Erkrankung einzuschätzen und die sicherste Anästhesiemethode zu bestimmen. Wichtige Überlegungen sind:

  • Schweregrad der Hypertonie: Präeklampsie kann sich durch einen systolischen Blutdruck ≥ 140 mmHg und/oder einen diastolischen Blutdruck ≥ 90 mmHg äußern. Schwere Hypertonie liegt bei einem Blutdruck ≥ 160/110 mmHg vor und erfordert eine sofortige Behandlung.
  • Organfunktionsstörungen: Komplikationen wie Hirnödem, Herzversagen, Nierenfunktionsstörungen, Leberfunktionsstörungen und Koagulopathie müssen beurteilt werden.
  • Diagnostische Herausforderungen: Andere Erkrankungen wie chronische Hypertonie, Schwangerschaftshypertonie, thrombotische Mikroangiopathien und akute Fettleber in der Schwangerschaft können eine Präeklampsie vortäuschen und müssen ausgeschlossen werden.

Blutdruckmanagement

  • Nicht schwere Hypertonie (140–159/90–109 mmHg): Behandlung mit oralen Antihypertensiva wie Labetalol, Nifedipin oder Methyldopa.
  • Schwere Hypertonie (≥160/110 mmHg): Erfordert eine dringende Behandlung innerhalb von 60 Minuten mit einer intravenösen (IV) blutdrucksenkenden Therapie wie IV-Labetalol, IV-Hydralazin oder Kalziumkanalblockern.
  • Hypertensive Notfälle: Der Blutdruck sollte vorsichtig gesenkt werden, um zerebrovaskuläre Ereignisse bei der Mutter und fetale Hypoxie zu vermeiden.

Prävention und Behandlung von Eklampsie

Krampfanfälle bei Patientinnen mit Präeklampsie sind ein typisches Merkmal einer Eklampsie und erfordern die dringende Gabe von Magnesiumsulfat zur Kontrolle und Vorbeugung von Krampfanfällen.

  • Prophylaxe: Bei Hochrisikopatienten wird die intravenöse Gabe von Magnesiumsulfat (4–6 g Aufsättigungsdosis, dann 1–2 g/Stunde Infusion) empfohlen.
  • Anfallsmanagement: Zusätzlicher 2-g-IV-Bolus Magnesiumsulfat bei wiederkehrenden Anfällen.
  • Magnesiumtoxizität: Hohe Serumspiegel (> 9 mg/dl) können zu Atemdepression und Herzstillstand führen, sodass Calciumgluconat als Gegenmittel erforderlich ist.

Intraoperatives Management

Bei der Wahl der Anästhesie für einen Kaiserschnitt bei Patientinnen mit Präeklampsie muss die Sicherheit von Mutter und Fötus abgewogen werden.

Neuroaxiale vs. Vollnarkose

  • Neuroaxiale Anästhesie (Spinal- oder Epiduralanästhesie): Bevorzugt aufgrund des stabilen hämodynamischen Profils, der geringeren Morbidität der Mutter und der besseren Ergebnisse bei Neugeborenen.
  • Vollnarkose (GA): Wird für Notfälle, Eklampsie, schwere Koagulopathie oder Atemwegsbeschwerden verwendet.

Überlegungen zur neuroaxialen Anästhesie

  • Spinale Hypotonie: Kommt bei Patientinnen mit Präeklampsie seltener vor, erfordert aber dennoch eine sorgfältige Überwachung des Blutdrucks.
  • Vasopressor-Management: Bei spinaler Hypotonie wird vorzugsweise Phenylephrin eingesetzt. Norepinephrin ist aufgrund des Risikos einer kritischen Hypertonie kontraindiziert.
  • Konversion zur Epiduralanästhesie: Wenn während der Wehen bereits eine Epiduralanästhesie durchgeführt wurde, kann diese mit 2 % Lidocain oder 3 % 2-Chloroprocain für die chirurgische Anästhesie „aufgefrischt“ werden.
  • Behandlung einer Thrombozytopenie: Eine neuroaxiale Anästhesie ist im Allgemeinen sicher, wenn die Thrombozytenzahl ≥ 70,000/µl beträgt und die Gerinnung normal ist.

Überlegungen zur Vollnarkose

  • Atemwegsmanagement: Höheres Risiko einer schwierigen Intubation aufgrund eines Atemwegsödems.
  • Hypertensive Reaktion auf Intubation: Erfordert vor der Induktion intravenöse Antihypertensiva und Opioide, um Blutdruckspitzen abzuschwächen.
  • Postoperative Extubation: Dies muss mit Vorsicht erfolgen, da durch die Extubation verursachter Bluthochdruck intrakraniale Blutungen auslösen kann.

Postoperative Pflege und langfristige Überlegungen

Postoperatives Hämodynamik- und Analgesiemanagement

  • Überwachung: Auf der Intensivstation ist häufig eine engmaschige hämodynamische Überwachung erforderlich.
  • Analgesie: Es wird eine multimodale Analgesie empfohlen, darunter:
    • Neuroaxiale Opioide (z. B. intrathekales Morphin)
    • Acetaminophen
    • NSAIDs (mit Vorsicht bei Nierenfunktionsstörungen)
    • Regionale Anästhesietechniken (z. B. Blockade der M. transversus abdominis plane).

Herzkomplikationen

  • Herzinsuffizienz: Erhöhtes Risiko einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) und Lungenödem.
  • Echokardiographie: Diese sollte präoperativ durchgeführt werden, wenn der Verdacht auf eine Herzinsuffizienz besteht.
  • Postoperatives kardiometabolisches Risiko: Bei Patientinnen mit Präeklampsie besteht langfristig das Risiko von Bluthochdruck, ischämischer Herzkrankheit und Schlaganfall.

Gerinnungs- und Thromboseprophylaxe

  • Risiko einer venösen Thromboembolie (VTE): Aufgrund der Hyperkoagulabilität und längerer Bettruhe ist eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin erforderlich.
  • Entfernung des Epiduralkatheters: Der Zeitpunkt muss sorgfältig auf Grundlage der Thrombozytenzahl und der Verwendung von Antikoagulanzien gewählt werden.

Fazit

Präeklampsie stellt erhebliche perioperative Herausforderungen dar und erfordert multidisziplinäre Zusammenarbeit, individuelle Anästhesieplanung und engmaschige postoperative Überwachung, um die Morbidität und Mortalität von Mutter und Neugeborenem zu senken. Anästhesisten spielen eine entscheidende Rolle bei der Optimierung der Patientenergebnisse durch frühzeitige Risikostratifizierung, präzises hämodynamisches Management und maßgeschneiderte Analgesiestrategien. Durch die Implementierung evidenzbasierter perioperativer Managementprotokolle können Ärzte Komplikationen reduzieren, Operationsergebnisse verbessern und die langfristige Gesundheit von Müttern und Neugeborenen fördern.

Weitere Informationen finden Sie im vollständigen Artikel in Anästhesiologie.

Dennis AT, Xin A, Farber MK. Perioperatives Management von Patientinnen mit Präeklampsie: Eine umfassende Übersicht. Anästhesiologie. 2025. Februar 1;142(2):378-402.

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