IV-Antihypertensiva und Hirndurchblutung - NYSORA

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IV-Antihypertensiva und Hirndurchblutung

IV-Antihypertensiva und Hirndurchblutung

Intravenöse (IV) antihypertensive Therapien sind die ersten Werkzeuge bei der Behandlung von akuten Hypertonie, insbesondere auf Intensivstationen, in der Notaufnahme und im perioperativen Bereich. Eine schnelle Kontrolle von gefährlich hohem Blutdruck ist unerlässlich, um schwerwiegende Ereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Aortendissektion zu verhindern. Diese schnelle Intervention bringt jedoch eine weitere klinische Herausforderung mit sich: Wie beeinflussen diese Medikamente den zerebralen Blutfluss (CBF) und beeinträchtigen sie die neurokognitive Funktion?

Eine wegweisende systematische Überprüfung und Metaanalyse aus dem Jahr 2025, veröffentlicht in Britische Zeitschrift für Anästhesie Diese Bedenken wurden in einem breiten Spektrum klinischer Kontexte untersucht. Diese umfassende Untersuchung, die Daten aus 50 Studien und 73 Patientenuntergruppen zusammenfasste, liefert das bisher klarste Bild davon, wie verschiedene intravenöse Antihypertensiva die Hirndurchblutung beeinflussen, und zeigt auf, welche Wirkstoffe mit Vorsicht angewendet werden müssen.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie

Die systematische Überprüfung deckte wichtige Nuancen hinsichtlich der Auswirkungen intravenös verabreichter Antihypertensiva auf die Hirndurchblutung auf:

  • Erhebliche CBF-Reduzierungen erfolgte überwiegend in wach, normotensiv Personen, die mit Nitroprussid oder Nitroglycerin behandelt wurden.
    • Mittlerer CBF-Rückgang: 14 %
    • Mediane Senkung des mittleren arteriellen Drucks (MAP): 17 %
  • Andere Agenten, darunter Labetalol, Nicardipin, Clevidipin und Metoprolol, zeigten keinen statistisch signifikanten Einfluss auf den CBF in den Kohorten mit normotensiven, hypertensiven und intrakraniellen Pathologien.
  • Die zerebrale Autoregulation blieb erhalten Dies lässt in den meisten Fällen darauf schließen, dass das Gehirn moderate Senkungen des systemischen Blutdrucks abfedern kann, ohne die Durchblutung zu beeinträchtigen.
Verständnis der zerebralen Autoregulation

Die zerebrale Autoregulation ist die Fähigkeit des Gehirns, trotz Schwankungen des arteriellen Blutdrucks einen konstanten Blutfluss aufrechtzuerhalten. Dies geschieht durch die Anpassung des Durchmessers der zerebralen Blutgefäße:

  • Bei einem Abfall des arteriellen Blutdrucks kommt es zu einer Gefäßerweiterung.
  • Bei einem Anstieg des arteriellen Blutdrucks kommt es zu einer Gefäßverengung.

Dieser Mechanismus schützt das Gehirn vor Hypo- oder Hyperperfusion. Seine Wirksamkeit ist jedoch nicht absolut. Bei bestimmten pathologischen Zuständen, wie beispielsweise einem Schädel-Hirn-Trauma, Schlaganfall oder einer schweren systemischen Entzündung, kann die Autoregulation beeinträchtigt sein, wodurch das Gehirn anfälliger für Durchblutungsänderungen wird, die durch eine antihypertensive Therapie ausgelöst werden.

Welche Medikamente haben die größte Wirkung?
Wirkstoffe mit signifikanter CBF-Reduktion:

Bei diesen Medikamenten ist Vorsicht geboten, insbesondere bei Patienten mit intakter Autoregulation, aber ohne hohen Ausgangsblutdruck:

  • Nitroprussid
  • Nitroglyzerin

Warum sie wichtig sind: Es handelt sich um potente Venodilatatoren, die die kardiale Vorlast und den systemischen Gefäßwiderstand senken. Dadurch können sie das Herzzeitvolumen und in der Folge die zerebrale Durchblutung verringern, insbesondere bei aggressiver Anwendung oder bei normotensiven Personen.

Agenten mit minimaler CBF-Auswirkung:

Diese Medikamente gelten im Allgemeinen als sicherere Optionen für die zerebrale Perfusion:

  • Labetalol
  • Nicardipin
  • Metoprolol
  • Clevidipin

Warum sie wichtig sind: Ihre Mechanismen, die häufig eine ausgewogene Alpha- und Betablockade oder arterielle Vasodilatation beinhalten, neigen dazu, den zerebralen Perfusionsdruck ohne dramatische Veränderungen der Vorlast oder des Herzzeitvolumens aufrechtzuerhalten.

Häufige klinische Szenarien
1. Intraoperativ kontrollierte Hypotonie
  • Zweck: Minimieren Sie den Blutverlust während der Operation.
  • Risiko: Hypotonie kann zu einer unzureichenden Hirndurchblutung führen, insbesondere bei älteren oder gefährdeten Patienten.
  • Sichere Strategie: Verwenden Sie Nicardipin oder Clevidipin für gezielte Reduktionen mit erhaltenem CBF.
2. Hypertensive Notfälle
  • Zweck: Verhinderung von Zielorganschäden in Krisen wie Aortendissektion oder hypertensiver Enzephalopathie.
  • Risiko: Eine zu starke MAP-Reduktion kann zu einer zerebralen Hypoperfusion führen.
  • Empfehlung: Allmähliche Senkung des Blutdrucks (nicht mehr als 25 % innerhalb der ersten Stunde).
3. Akuter Schlaganfall nach Thrombektomie
  • Zweck: Begrenzung von Reperfusionsschäden und Hirnödemen.
  • Risiko: Eine übermäßige Senkung des Blutdrucks kann die Ischämie im Penumbralgewebe verschlimmern.
  • Beweis: Neuere Studien (z. B. ENCHANTED2/MT, BP-TARGET) warnen vor intensiven Blutdruckzielen aufgrund verschlechterter Ergebnisse.
Klinische Erkenntnisse:
  • Streben Sie nach Ausgewogenheit. Kontrollieren Sie den Blutdruck, ohne die Durchblutung des Gehirns zu beeinträchtigen.
  • Maßgeschneiderte Therapie. Passen Sie das Medikament an den physiologischen und neurologischen Zustand des Patienten an.
  • Beobachten Sie genau. Erkennen Sie die frühen Anzeichen einer CBF-Beeinträchtigung, bevor neurokognitive Schäden auftreten.
Abschließende Gedanken

Diese umfassende Übersicht unterstreicht, dass die meisten intravenös verabreichten Antihypertensiva zwar sicher für den zerebralen Blutfluss sind, bestimmte Medikamente wie Nitroprussid und Nitroglycerin jedoch in bestimmten Situationen mit Vorsicht angewendet werden müssen. Für eine optimale Neuroprotektion ist die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen effektiver Blutdruckkontrolle und Erhalt der zerebralen Durchblutung unerlässlich.

Referenz: Meacham KS. et al. Auswirkungen einer intravenösen antihypertensiven Therapie auf den zerebralen Blutfluss und die Neurokognition: eine systematische Überprüfung und Metaanalyse. Br J Anaesth. 2025; 134: 713-726.

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