Gezielte intrathekale Arzneimittelabgabe an die präpontinale Zisterne: ein neuartiger Ansatz zur Behandlung von therapieresistenten Schmerzen bei kraniofazialen Krebserkrankungen - NYSORA

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Gezielte intrathekale Arzneimittelabgabe in die präpontine Zisterne: ein neuartiger Ansatz zur Behandlung von therapieresistenten Schmerzen bei kraniofazialen Krebserkrankungen

Gezielte intrathekale Arzneimittelabgabe in die präpontine Zisterne: ein neuartiger Ansatz zur Behandlung von therapieresistenten Schmerzen bei kraniofazialen Krebserkrankungen

Patienten mit kraniofazialen Karzinomen leiden oft unter lähmenden und unerbittlichen Schmerzen. Diese Art von Schmerzen, die durch bösartige Erkrankungen im Kopf- und Gesichtsbereich verursacht werden, ist häufig resistent gegenüber herkömmlichen Schmerzmitteln. Orale, intravenöse oder konventionelle intrathekale Opioide bieten oft keine wirksame Linderung und haben erhebliche Nebenwirkungen. Eine bahnbrechende Studie von Dongju et al. hat nun eine vielversprechende Lösung aufgezeigt: die Platzierung eines intrathekalen Arzneimittelabgabesystems (ITDD) in der präpontinen Zisterne in der Nähe des Hirnstamms.

Warum diese Studie wichtig ist

Diese multizentrische retrospektive Studie mit 33 Patienten aus 11 großen Krankenhäusern in China ist die erste groß angelegte Untersuchung zur Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit der gezielten Verabreichung von Morphin über präpontine Zisternen bei therapieresistenten Schmerzen bei kraniofazialen Krebserkrankungen.

Die Wissenschaft hinter der Strategie
Was ist die präpontinische Zisterne?

Die präpontinale Zisterne ist ein mit Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) gefüllter Raum vor der Brücke, einer kritischen Hirnstammstruktur, aus der mehrere Hirnnerven entspringen, darunter der Trigeminusnerv, der Gesichtsschmerzen überträgt.

Die Verabreichung von Morphin in diesen Bereich ermöglicht:

  • Direktes Anvisieren der Hirnnervenwurzeln
  • Schnelle und lokalisierte Maßnahmen
  • Niedrigere Morphindosen für die gleiche Wirkung
  • Reduzierte systemische Belastung und Nebenwirkungen
Warum nicht die traditionelle intrathekale Platzierung?

Herkömmliche ITDD-Systeme verabreichen Medikamente in die lumbale oder thorakale Wirbelsäule, was bei Kopf- und Nackenschmerzen weniger wirksam ist. Eine hohe zervikale Platzierung oder intrazisternale Methoden wurden untersucht, sind aber oft invasiv, risikoreich oder schwer zu stabilisieren. Der präpontine Ansatz mittels Lumbalpunktion vermeidet diese Herausforderungen.

Studienüberblick
  • Typ: Multizentrische retrospektive Kohorte
  • Dauer: September 2019 - Dezember 2023
  • Teilnehmer: 33 Patienten (Durchschnittsalter 60.5 Jahre; 60.6 % männlich)
  • Indikationen:
    • Hartnäckige Schmerzen bei kraniofazialem Krebs
    • Versagen der konventionellen Opioidtherapie
    • Inakzeptable Nebenwirkungen von systemischen Opioiden
  • Kathetereinführung:
    • Über eine Lumbalpunktion
    • Durchleuchtungsgeführt zur präpontinen Zisterne
Ergebnisse: deutliche und anhaltende Schmerzlinderung
Schmerzintensität (NRS-Score)
  • Präoperativer Median: 8.0 (auf einer Skala von 0–10)
  • Postoperativer Tag 1: 2.0
  • Postoperativer Tag 30: 1.0
  • 90 % weniger Schmerzen
Durchbruchschmerzepisoden
  • Vor der OP: Median 6.0 Episoden/Tag
  • 30. postoperativer Tag: Median 0.0 Episoden/Tag
  • P-Wert: < .001 (statistisch signifikant)
Kategorien zur Schmerzlinderung
  • Tag 1:
    • Mäßig (≤50 % Linderung): 7 Patienten
    • Effektiv (50–75 %): 10 Patienten
    • Ausgezeichnet (>75 %): 16 Patienten
  • Tag 30:
    • Mittelschwer: 1 Patient
    • Effektiv: 9 Patienten
    • Ausgezeichnet: 20 Patienten
  • Insgesamt wurde bis zum 30. Tag eine Schmerzlinderung von >50 % erreicht: 96.7 %

Optimierung der Morphin-Dosierung

Systemische Morphinäquivalente
  • Basismedian: 228 mg/Tag
  • Postoperativ Tag 1: 0–120 mg/Tag
  • Tag 7 und 30: 0 mg/Tag bei den meisten Patienten
Intrathekale Morphindosis
  • Tag 1: Median 0.16 mg/Tag
  • Tag 30: Bei Bedarf auf 0.36 mg/Tag erhöht
  • Begründung: Allmähliche Titration, um die Linderung aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Atemdepression zu minimieren
Wie das Verfahren funktioniert
Schritt-für-Schritt-Operationstechnik
  1. Präoperative Bildgebung: MRT zur Bestätigung des Katheterzugangswegs
  2. Patientenpositionierung: Seitenlage, unter örtlicher Betäubung
  3. Lumbalpunktion: Über L2/L3 oder L3/L4 mit 14G Tuohy-Nadel
  4. Kathetereinführung:
    •  Navigiert durch den Spinalkanal und das Foramen magnum
    •  Mittels Fluoroskopie an der präpontinen Zisterne positioniert

      5. Platzierung des Infusionsports:

    • Subkutan auf der vorderen Axillarlinie
    • Angeschlossen an eine externe elektronische Pumpe

       6. Arzneimittelverabreichung:

    • Anfängliche Morphindosis = 1/1000 des oralen Äquivalents
    • Kontinuierliche Abgabe von 0.1 ml/Stunde
    • Durchbruchschmerzen werden über Bolus behandelt: 0.1 ml alle 30 Minuten
Sicherheitsergebnisse
Nebenwirkungen
  • Leicht und vorübergehend:
    • Hypotonie (1 Patient)
    • Übelkeit, Mundtrockenheit, Sedierung (wenige Patienten)
  • Keine schwerwiegenden Komplikationen:
    • Keine Atemdepression
    • Keine ZNS-Infektion oder Katheterdislokation
    • Keine neurologischen Defizite
Vergleich mit älteren Techniken
  • Durch die präpontine Platzierung wird Folgendes vermieden:
    • Tetraplegierisiko durch zervikale Spinalpunktion
    • Blutung durch Schädelbohrung
    • Hohes Infektionsrisiko durch ventrikuläre Methoden
Vorteile gegenüber herkömmlichen Methoden

Studienbeschränkungen
  • Retrospektives Design: Begrenzt die kausale Inferenz
  • Kleine Stichprobengröße: Nur 33 Patienten
  • Kurzes Follow-up: Langfristige Sicherheitsdaten sind erforderlich
  • Fehlende Kontrollgruppe: Kein direkter Vergleich mit anderen Techniken
Zukünftige Ausrichtung
  • Randomisierte kontrollierte Studien zur Validierung der Wirksamkeit und Sicherheit
  • Langzeitstudien zur Bewertung der Haltbarkeit und Infektionsrate von Kathetern
  • Kombinationstherapie: Prüfung synergistischer Effekte mit Ziconotid oder Bupivacain
  • Anwendung bei gutartigen kraniofazialen Schmerzzuständen
Fazit

Die Ergebnisse dieser multizentrischen Studie unterstreichen das bahnbrechende Potenzial der intrathekalen Morphingabe von Prepontin. Sie sorgt nicht nur für eine schnelle und anhaltende Schmerzlinderung, sondern auch für eine minimale Medikamentendosis und vernachlässigbare Nebenwirkungen. Für Patienten mit hartnäckigen kraniofazialen Krebsschmerzen eröffnet diese Methode neue therapeutische Möglichkeiten.

Mit der Weiterentwicklung der Neuromodulation wird die gezielte, anatomische Medikamentenverabreichung die Schmerzmedizin revolutionieren. Der präpontinale Zisternenansatz steht an vorderster Front dieser Entwicklung und bringt Linderung dort, wo sie am dringendsten benötigt wird – und zwar auf präzise Weise.

Ausführlichere Informationen finden Sie im vollständigen Artikel in Anästhesie und Analgesie. 

Long D, Li X, Zhang Y, et al. Intrathekales Arzneimittelabgabesystem in der präpontinen Zisterne für Patienten mit hartnäckigen Schmerzen bei kraniofazialen Krebserkrankungen: Eine multizentrische retrospektive Studie. Anästhesie & Analgesie. 2025; 141 (2).

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