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Transfusionsstrategien bei TBI

28. April 2025

Traumatische Hirnverletzungen (TBI) stellen nach wie vor eine erhebliche globale Gesundheitsherausforderung dar. Bei Patienten, die sich in Intensivstationen erholen, ist die Behandlung einer Anämie durch Erythrozytentransfusionen üblich. Doch wie viel ist zu viel? Und könnten Transfusionsschwellen die neurologische Genesung beeinflussen?

Neue systematische Überprüfung und Metaanalyse veröffentlicht Critical Care Medicine von Larcipretti et al. (2025) hat überzeugende Erkenntnisse zu dieser Debatte geliefert und könnte die aktuellen Transfusionsrichtlinien für die Behandlung von traumatischen Hirnverletzungen verändern.

Studienüberblick
Ziel:

Vergleich liberaler und restriktiver Transfusionsstrategien bei Patienten mit einer traumatischen Hirnverletzung im Hinblick auf Sicherheit und neurologische Ergebnisse.

Design:
  • Metaanalyse von 5 randomisierte kontrollierte Studien
  • Teilnehmerzahl insgesamt: 1,533 Patienten
  • Aufteilung: 769 (liberale Strategie), 764 (restriktive Strategie)
Primärer Endpunkt:

Günstige Ergebnisse auf der Glasgow Outcome Scale (GOS) 6 Monate nach der TBI.

Sekundäre Endpunkte:
  • Sterblichkeit auf der Intensivstation und im Krankenhaus
  • Infektionen und thromboembolische Ereignisse
  • Dauer des Krankenhausaufenthalts (LOS)
  • Transfusionsbedingte Komplikationen
Welche Transfusionsstrategien gibt es?
1. Restriktive Strategie
  • Hämoglobinschwelle: 7 g / dl
  • Weniger Blutkonserven transfundiert
  • Unterstützt durch frühere Leitlinien (TRICC-Studie, Cochrane-Reviews)
2. Liberale Strategie
  • Hämoglobinschwelle: ≥ 9–10 g/dl
  • Ziel ist die Verhinderung von zerebraler Hypoxie und Ischämie
  • Häufiger in TBI-spezifischen klinischen Situationen
Wichtige Erkenntnisse
Neurologische Ergebnisse
  • Günstige Ergebnisse waren bei großzügiger Transfusion etwas höher.
  • Leave-One-Out-Sensitivitätsanalyse zeigte statistische Signifikanz wenn eine Ausreißerstudie ausgeschlossen wurde.
Sterblichkeit
  • Kein Unterschied in:
    • Krankenhaussterblichkeit 
    • Sterblichkeit auf der Intensivstation 
    • Mortalität im Follow-up
Transfusionsvolumen
  • Liberale Gruppe erhielt 2.92 weitere Einheiten an roten Blutkörperchen im Durchschnitt.
Komplikationen
  • ARDS deutlich häufiger in der liberalen Gruppe.
  • Kein signifikanter Unterschied bei Infektionen oder thromboembolischen Ereignissen.
Dauer des Aufenthalts
  • Kein nennenswerter Unterschied in Dauer des Intensiv- oder Krankenhausaufenthalts.
Klinische Implikationen
  • Das aktuelle restriktive Transfusionsrichtlinien, die größtenteils auf der allgemeinen Intensivpflegebevölkerung basieren, können keine ausreichende Unterstützung der TBI-Genesung.
  • Bei Transfusionsentscheidungen sollte die neurologische Genesung – nicht nur das Überleben – im Vordergrund stehen.
  • Zukunftsforschung sollte sich auf die Definition der optimale Balance zwischen Sauerstoffzufuhr und Transfusionsrisiken bei TBI.
Fazit

Diese neue Studie ist eine Meilenstein in der Transfusionsforschung für traumatische Hirnverletzungen. Es deutet darauf hin, dass wir möglicherweise über Einheitsstrategien hinausgehen und anfangen müssen Anpassung der Hämoglobinschwellenwerte auf spezifische klinische Situationen.

„Bessere Gehirne brauchen besseres Blut – aber nicht auf Kosten des Atems.“

Mit zunehmenden Beweisen für die 9 g/dL Hämoglobinschwelleist es für Kliniker und Politiker möglicherweise an der Zeit, die aktuellen Transfusionsprotokolle zu überarbeiten und Patienten mit einer traumatischen Hirnverletzung die besten Chancen auf Genesung zu geben.

Referenz: Larcipretti et al., Transfusionspraktiken bei traumatischen Hirnverletzungen, Critical Care Medicine 2025; 53: e963-e972. 

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