Hepatorenales Syndrom: Neue Strategien für Diagnose, Prävention und Behandlung - NYSORA

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Hepatorenales Syndrom: Neue Strategien für Diagnose, Prävention und Behandlung

Hepatorenales Syndrom: Neue Strategien für Diagnose, Prävention und Behandlung

Das hepatorenale Syndrom (HRS) ist eine der am meisten gefürchteten Komplikationen bei fortgeschrittener Lebererkrankungen, Dies stellt einen gemeinsamen Endverlauf mit hämodynamischer Instabilität, schwerer portaler Hypertonie und fortschreitender renaler Vasokonstriktion dar. Während die Leber der primäre Ort der Pathologie ist, liegt das tödliche Potenzial des Syndroms in seinen systemischen Auswirkungen, insbesondere im raschen Verlust der Nierenfunktion bei Patienten, die bereits medizinisch angeschlagen sind.

Das HRS nimmt eine kritische Schnittstelle zwischen Hepatologie, Nephrologie, Intensivmedizin und Anästhesie ein. Es tritt häufig in Szenarien auf, in denen mehrere akute Schädigungen zusammentreffen: eine Infektion wie eine spontane bakterielle Peritonitis (SBP), gastrointestinale Blutungen, übermäßige Diurese oder sogar scheinbar geringfügige Eingriffe wie eine großvolumige Parazentese ohne ausreichende Albuminunterstützung.

Jahrzehntelang war die Diagnose des HRS eine Ausschlussdiagnose, die oft erst spät im Krankheitsverlauf gestellt wurde, wenn die Möglichkeit einer Intervention gering war. Jüngste internationale Konsenserklärungen der Der International Club of Ascites (ICA) und die Acute Disease Quality Initiative (ADQI) entwickeln neue Konzepte, Diagnosen und Behandlungen für dieses Syndrom. Ziel ist es, Nierenschäden früher zu erkennen, die Behandlung früher einzuleiten und – was am wichtigsten ist – den Patienten die Möglichkeit zu geben, eine endgültige Therapie zu erreichen: eine Lebertransplantation (LT).

Epidemiologie: Wie häufig ist HRS?

Genaue Schätzungen variieren, da sich die Definitionen weiterentwickelt haben, aber Studien legen nahe:

  • 8–20 % der hospitalisierten Patienten mit Zirrhose und Aszites entwickeln HRS-AKI.
  • HRS ist an bis zu 40 % der AKI Fälle bei Leberzirrhose, wenn strenge Kriterien angewendet werden.
  • Die Sterblichkeitsrate liegt nach 3 Monaten ohne Lebertransplantation bei HRS bei 80–90 %.AKI.

Risikofaktoren umfassen:

  1. Fortgeschrittene Zirrhose (Child-Pugh-Klasse C)
  2. Persistierender Aszites trotz Diuretika
  3. Hyponatriämie
  4. Wiederkehrende SBP
  5. Großvolumige Parazentese ohne Albumin
  6. Niedriger arterieller Blutdruck und systemischer Gefäßwiderstand zu Beginn
Historische Definitionen und warum sie sich geändert haben
Das alte Paradigma

Traditionell wurde HRS wie folgt klassifiziert:

  • STUNDEN-1 – Schnelle Progression (Verdoppelung des Serumkreatinins auf >2.5 mg/dl in <2 Wochen)
  • STUNDEN-2 – Eher indolenter Verlauf mit mittelschwerer, stabiler Nierenfunktionsstörung

Dieses Schema hatte mehrere Einschränkungen:

  • Verzögerte Diagnose bis fortgeschrittenes Nierenversagen aufgetreten
  • Ausschluss von Patienten mit geringeren Kreatininanstiegen, die dennoch von einer Behandlung profitieren könnten
  • Übermäßiges Vertrauen in den „48-Stunden-Albumin-Test“ vor der Kennzeichnung von HRS
Das neue Paradigma

Im Jahr 2023 wurde HRS im gemeinsamen Konsens von ICA und ADQI mithilfe von KDIGO neu definiert. AKI Kriterien:

  • HRS-AKI – Akuter Anstieg des Kreatinins oder Abfall der Urinausscheidung, der die KDIGO-Grenzwerte erreicht, bei einem Patienten mit Zirrhose und Aszites, ohne andere erkennbare Ursache
  • HRS-NAKI – Subakut oder chronische Nierenfunktionsstörung bei Zirrhose (eGFR <60 ml/min/1.73 m² > 3 Monate)
    HRS-CKD – Persistierende, >3 Monate anhaltende, nicht reversible Nierenfunktionsstörung bei Leberzirrhose

Der Albumintest ist nicht mehr erforderlich, eine Flüssigkeitsbestimmung ist jedoch weiterhin unerlässlich, um eine Hypovolämie auszuschließen.

Pathophysiologie: ein perfekter Sturm

HRS spiegelt ein tiefgreifendes Ungleichgewicht zwischen splanchnischer Vasodilatation und renaler Vasokonstriktion wider.

Schlüsselmechanismen:

  1. Portale Hypertonie → Freisetzung von Vasodilatatoren (NO, CO, Glucagon, Prostaglandine) im Splanchnikuskreislauf.
  2. Effektiv Hypovolämie → trotz Überladung des gesamten Körpers mit Flüssigkeit löst eine Unterfüllung der Arterien die Aktivierung von Folgendem aus:
    • Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS)
    • Sympathisches Nervensystem
    • Vasopressin-Freisetzung
  3. Nierenvasokonstriktion → verringerter renaler Plasmafluss, verringerte GFR, verringerte Urinausscheidung.
  4. Herzfunktionsstörung → „zirrhotische Kardiomyopathie“ begrenzt kompensatorische Erhöhungen des Herzzeitvolumens.
  5. Entzündungen und Infektionen → insbesondere SBP, verstärken die Vasodilatation und lösen HRS aus.
Klinische Präsentation

HRS entwickelt sich typischerweise bei Krankenhauspatienten, die bereits wegen einer anderen Komplikation der Zirrhose behandelt werden.

Typische Merkmale:

  • Progressiver Anstieg des Serumkreatinins über Tage bis Wochen
  • Sehr niedriger Natriumspiegel im Urin (<10 mmol/l) ohne Diuretika-Einnahme
  • Mildes Urinsediment (keine Proteinurie, Hämaturie)
  • Oft begleitet von einer Verschlechterung des Aszites und einer Hyponatriämie
Diagnose: Ausschluss und Präzision
HRS-AKI Diagnose-Checkliste:
  1. Zirrhose mit Aszites
  2. KDIGO-definiert AKI
  3. Kein Schock bei der Diagnose
  4. Keine nephrotoxische Arzneimittelexposition
  5. Keine Anzeichen einer strukturellen Nierenschädigung:
    • Proteinurie >500 mg/Tag
    • Hämaturie >50 RBC/hpf
    • Abnormaler Nierenultraschall
Rolle der Biomarker:
  • NGAL im Urin kann dabei helfen, HRS von einer akuten tubulären Verletzung (höherer ATN-Wert) zu unterscheiden.
  • Cystatin C kann bei Leberzirrhose zu genaueren GFR-Schätzungen führen.
Prävention: Vermeidung der Entstehung von HRS

Da HRS eine so hohe Sterblichkeitsrate mit sich bringt, ist eine Primärprävention von entscheidender Bedeutung.

Vorsichtsmaßnahmen:

  1. SBP-Prophylaxe: Norfloxacin oder Ciprofloxacin bei Hochrisikopatienten
  2. Albumin bei SBP: reduziert das Risiko von Nierenversagen und Tod
  3. Albumin nach großvolumiger Parazentese: beugt Durchblutungsstörungen vor
  4. Umsichtiger Einsatz von Diuretika: Vermeiden Sie übermäßigen Volumenmangel
  5. Medikamentenüberprüfung: NSAR absetzen, ACE-Hemmer/ARBs bei fortgeschrittener Zirrhose vermeiden
  6. Frühzeitige Behandlung von Infektionen: zur Vorbeugung einer entzündlichen Gefäßerweiterung
Behandlung: der Zwei-Phasen-Ansatz
Phase 1: Stabilisierung und Umkehr
  1. Albumin
  • 1 g/kg/Tag für 2 Tage, dann Erhaltungsdosis 20–50 g/Tag
  • Verbessert das effektive arterielle Volumen
  1. Vasokonstriktoren
  • Terlipressin (FDA-zugelassen): 0.85–1.7 mg i.v. alle 6 Stunden; Erhöhung, wenn die SCr-Reduktion bis zum 3. Tag <30 % ist.
  • Noradrenalin: ebenso wirksam; erfordert eine Intensivstation.
  • Midodrin + Octreotid: ambulante oder stationäre Option, wenn Terlipressin nicht verfügbar ist.
Phase 2: Definitive Therapie
  1. Lebertransplantation
  • Einzige kurative Option
  • Simultane Leber-Nieren-Transplantation bei Verdacht auf irreversible Nierenschädigung
  1. Überbrückungsstrategien
  • Weiter mit Vasokonstriktor + Albumin
  • Erwägen Sie eine Nierenersatztherapie zur Stoffwechselkontrolle
  • Bewerten Sie ausgewählte Patienten auf TIPS
  1. Nierenersatztherapie (RRT)

Außerhalb der Transplantation spielt die Nierenersatztherapie nur eine begrenzte Rolle und sollte folgenden Zwecken vorbehalten bleiben:

  • Schwere Elektrolytstörung
  • Übersäuerung
  • Refraktäre Volumenüberlastung
  • Urämische Symptome

Die Überlebenschancen ohne Transplantation sind düster (~15 % nach 6 Monaten).

Prognose

Auch mit Behandlung bleibt die Prognose ohne Lebertransplantation schlecht.

Prädiktoren für ein schlechtes Ergebnis:

  • Höheres MELD-Na
  • CLIF-ACLF-Klasse
  • Bedarf an Nierenersatztherapie
  • Sepsis
  • Fortgeschrittene Enzephalopathie
Neue Therapien und Forschungslücken
  • Neue Vasokonstriktoren mit günstigerem Nebenwirkungsprofil
  • Früherkennung mit Biomarkern
  • TIPS-Optimierung für ausgewählte HRS-AKI Fälle
  • Verbesserte Transplantatzuteilung für Patienten mit sich schnell verschlechternder Nierenfunktion
Fazit

Das hepatorenale Syndrom bleibt eine lebensbedrohliche Komplikation einer fortgeschrittenen Lebererkrankung mit hoher Sterblichkeit, es sei denn lLebertransplantation erreicht wird. Früherkennung, schneller Beginn einer Albumin- und Vasokonstriktortherapie sowie strikte Infektionsprävention sind für bessere Ergebnisse unerlässlich. Die jüngsten Änderungen der ICA-ADQI-Definition zielen darauf ab, Diagnose und Behandlung zu beschleunigen und so möglicherweise die Nierenfunktion zu erhalten. Pharmakologische Maßnahmen können Patienten zwar bis zur Transplantation überbrücken, sind aber nicht kurativ. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Überweisung und einer koordinierten multidisziplinären Versorgung.

Weitere Informationen finden Sie im vollständigen Artikel in Aktuelle Meinung in der Anästhesie.

Sherman M, DiSilvio B, Cheema T. Übersicht und Behandlung des hepatorenalen Syndroms. Curr Opin Anaesthesiol. 1. August 2025;38(4):492-497.

Lesen Sie mehr über Leber- und Nierenversagen in unserem Handbuch zur Anästhesie: Best Practices und Fallmanagement.

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