Die endotracheale Intubation ist ein lebensrettender Eingriff mit hohem Risiko, der häufig auf Intensivstationen durchgeführt wird. Sie birgt jedoch erhebliche Risiken, insbesondere bei schwerkranken Patienten, die bereits an physiologischen Störungen wie Hypoxämie und Hypotonie leiden. Die Wahl des Intubationsmittels kann den Behandlungserfolg erheblich beeinflussen.
Eine aktuelle Übersicht von Kotani et al. (Crit Care Med., 2025) untersucht die pharmakologischen Eigenschaften, klinischen Auswirkungen und vergleichenden Sicherheitsprofile häufig verwendeter Einleitungsmittel, darunter Propofol, Etomidat, Ketamin, Midazolam und Thiopental.
Warum die Wahl des Einleitungsmittels wichtig ist
Schwerstkranke Patienten sind anfällig für:
- Hypotonie (bis zu 43 % nach Intubation)
- Hypoxämie (9%)
- Herzstillstand (3%)
Studien zeigen, dass Hypotonie nach der Induktion mit einer höheren Sterblichkeit auf der Intensivstation und innerhalb von 28 Tagen verbunden ist. Daher ist die Minimierung der hämodynamischen Instabilität von entscheidender Bedeutung.
Pharmakologische Profile und klinische Wirkungen
1. Propofol
- Mechanismus: GABA-Rezeptoragonist
- Effekte:
- Schnelle Sedierung
- Myokarddepression und Vasodilatation
- Risiken:
- Hohe Rate an kardiovaskulärer Instabilität
- Stärkerer Blutdruckabfall bei älteren oder hypovolämischen Patienten
2. Etomidate
- Mechanismus: GABA-A-Rezeptoragonist
- Effekte:
- Hämodynamische Stabilität
- Risiken:
- Unterdrückung der Nebennierenfunktion (Stunden bis Tage)
- Potenziell erhöhte Sterblichkeit
3. Ketamin
- Mechanismus: NMDA-Rezeptorantagonist
- Effekte:
- Sympathische Stimulation (↑HF, ↑BD)
- Erhält die Atemwegsreflexe und die Spontanatmung
- Bronchodilatation (hilfreich bei Asthma)
- Nebenwirkungen:
- Halluzinationen
- Hypersalivation
4. Midazolam
- Mechanismus: GABA-Rezeptoragonist
- Effekte:
- Sedierung und Amnesie
- Risiken:
- Dosisabhängige Hypotonie
- Delirium
- Wasser :
- Oft als Ergänzung zu anderen Wirkstoffen
5. Thiopental
- Mechanismus: Barbiturat wirkt auf den GABA-Rezeptor
- Risiken:
- Hypotonie, Bronchospasmus, Immunsuppression
- Status:
- Heute kaum noch im Einsatz
Kombinationstherapie
- Fentanyl: Wird gegen Schmerzen verwendet, kann das Hypotonierisiko erhöhen.
- Ketofol (Ketamin + Propofol):
- Gleicht hämodynamische Effekte aus
- Günstiges Profil in einigen Studien, aber es fehlen standardmäßige Dosierungsprotokolle.
Neue Erkenntnisse und klinische Leitlinien
Schlüsselstudien
- INTUBE-Studie: Propofol steht im Zusammenhang mit kardiovaskulärer Instabilität.
- Matchett et al. (Intensivmedizin 2022): Höhere 7-Tage-Mortalität mit Etomidat im Vergleich zu Ketamin (23 % vs. 15 %).
- Meta-Analyse: Etomidat ist mit einem erhöhten Sterberisiko verbunden.
Leitlinien
- Gesellschaft für schwierige Atemwege und SCCM: Ketamin ist Etomidat vorzuziehen.
- SCCM 2023: Etomidat akzeptabel, aber Ketamin nicht überlegen.
Zukünftige Richtungen
Forschungslücken
- Optimale Dosierstrategien
- Best Practices für die Verwendung von Vasopressoren
- Wirksamkeit neuerer Wirkstoffe wie Remimazolam
Laufende Versuche
- PREVENTION-Studie: Präventiver Einsatz von Vasopressoren
- RSI-Studien: Langzeitergebnisse der Sedativa-Wahl
Fazit
Obwohl kein einzelnes Medikament perfekt ist, gilt Ketamin derzeit als das am besten geeignete Induktionsmedikament für die endotracheale Intubation bei schwerkranken Patienten. Propofol und Etomidat sind zwar in bestimmten Situationen nützlich, bergen aber Risiken, die ihren Nutzen überwiegen können. Laufende Forschung zielt darauf ab, diese Optionen weiter zu verfeinern und die Patientenergebnisse zu verbessern.
Referenz: Kotani Y et al. Einleitungsmittel für die Trachealintubation bei kritisch kranken Patienten. Crit Care Med. 2025;53:e173-e181.
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KI auf Abruf: Fall der Woche
Ein 62-jähriger Mann mit kongestiver Herzinsuffizienz und Sepsis liegt mit zunehmender Atemnot und verändertem Geisteszustand auf der Intensivstation. Sein Blutdruck beträgt 88/50 mmHg, seine Herzfrequenz 112 Schläge/min und seine Sauerstoffsättigung liegt bei 85 % (ohne Rückatemgerät). Es wird entschieden, eine endotracheale Notfallintubation durchzuführen.
Das Team bereitet sich auf die schnelle Sequenzinduktion vor. Welches Induktionsmittel würden Sie verwenden?